Um mehr als eine Stunde vorver­legter Flug gilt als annul­liert

1. März 2022 | Reiserecht

Flug vorver­legt? EuGH stärkt Ihre Rechte als Passa­gier!

Werden Flüge einfach vorver­legt, kann dies ebenso ärger­lich sein, wie das bei Verspä­tungen der Fall ist. Nicht umsonst hat der EuGH die Ausgleichs­an­sprüche der Passa­giere für diese Fälle klar gere­gelt – und sich damit eindeutig auf die Seite der betrof­fenen Passa­giere gestellt.

Klar­stel­lung durch den EuGH: Deut­liche Vorver­le­gung gilt als Annul­lie­rung

Diese Einschät­zung eröffnet vielen Flug­pas­sa­gieren die Möglich­keit, eine Entschä­di­gung zu bean­spru­chen: Laut Euro­päi­schem Gerichtshof (EuGH) gilt ein Flug als annul­liert, sobald er um mehr als 60 Minuten vorver­legt wird. Die für den Fall, dass Sie als Reisender nicht recht­zeitig über die Flug­zeit­ver­schie­bung in Kenntnis gesetzt werden, vorge­se­hene Ausgleichs­pau­schale bewegt sich in einer Spanne von 250 bis 600 Euro – je nach Reise­strecke. Damit sorgt der EuGH für Klar­heit, nachdem neben dem Land­ge­richt Düssel­dorf auch das Landes­ge­richt Korneu­burg (Öster­reich) wegen vorlie­gender Klagen von Seiten betrof­fener Passa­giere um Ausle­gung des geltenden EU-Rechts ersucht hatten.

Die Begrün­dung: Eine derart deut­liche Vorver­le­gung eines Flugs schränkt die Flug­gäste in ihrer freien Zeit­ver­fü­gung ein und könnte große Anstren­gungen notwendig machen, den Flug über­haupt noch recht­zeitig zu errei­chen. Deswegen müssen die Airlines in diesen Fällen den kompletten Betrag der Entschä­di­gung erstatten, wobei diese grund­sätz­lich nach Flug­di­stanz gestaf­felt ist. Die Ausfüh­rungen finden sich im EuGH-Urteil vom 21.12.2021, die sich auf folgende Rechts­sa­chen beziehen: C146/20, C188/20, C196/20 sowie C263/20 und C270/20.

Der EuGH ging sogar noch weiter: Demnach hat ein Flug­pas­sa­gier selbst dann einen Entschä­di­gungs­an­spruch, wenn er ein Touris­mus­un­ter­nehmen mit der Buchung des Fluges beauf­tragt hatte – dieses aber die Buchung nicht bei der Airline veran­lasst. Sobald nämlich ein Beleg zum Flug ausge­stellt wäre, sei dieser als Buchungs­be­stä­ti­gung zu bewerten. Zur Begrün­dung führt der EuGH an, dass von einem Flug­pas­sa­gier nicht zu verlangen wäre, dass er sich über die Bezie­hungen zwischen Touris­mus­un­ter­nehmen und Airline infor­miere. Das Luft­fahrt­un­ter­nehmen könne jedoch in diesem Fall beim Reise­ver­an­stalter schadlos halten.

Wich­tige Abgren­zung: Wann der Entschä­di­gungs­an­spruch entfällt

Der EuGH bezieht sich auf die EU-Flug­gast­rechte-Verord­nung, die auch regelt, wann die Airlines bei einer Flug­zeit­ver­schie­bung bzw. Annul­lie­rung von einer Pflicht zur Entschä­di­gungs­zah­lung frei sind: Dazu müssen die Flug­pas­sa­giere recht­zeitig infor­miert werden – und das heißt, dass Sie als Reisender wenigs­tens zwei Wochen für den ursprüng­li­chen Abflug­termin von der Ände­rung Kenntnis haben müssen. Sollte es alter­na­tive Flug­ver­bin­dungen zu einer ähnli­chen Zeit geben, verkürzen sich die Infor­ma­ti­ons­fristen.

Damit posi­tio­niert sich der EuGH ganz klar auf Seiten der Flug­gäste – und dies ist nicht selbst­ver­ständ­lich: In einem anderen Urteil wurde bestä­tigt, dass Passa­giere keinen Anspruch auf Entschä­di­gung haben, sollte sich der Flug verspäten, weil einer der Passa­giere randa­liert. Ausnahmen: Sollte die Airline dieses Verhalten provo­ziert oder dazu beigetragen oder die Situa­tion bereits vor dem Boar­ding eska­liert sein, dann eröffnet sich durchaus ein Entschä­di­gungs­an­spruch.

Grund­le­gende Vorge­hens­weise: Airline muss Passa­giere über Anspruch infor­mieren

Die Aussage ist ganz klar: Annul­liert die Airline den Flug, muss sie auch die Flug­gäste darüber in Kenntnis setzen, wer für die Entschä­di­gungs­zah­lung zuständig ist – und welche Doku­mente dafür vorzu­legen sind. Aller­dings ist sie nicht verpflichtet, die Höhe des Entschä­di­gungs­be­trages zu bezif­fern.

Zur Einord­nung des Urteils: Vorver­le­gungen von Flügen kommen vergleichs­weise selten vor, in der Regel dann, wenn wegen Streiks oder drohenden Wetter­um­schwüngen mögliche Verspä­tungen verhin­dert werden sollen. Trotzdem sorgte das EuGH-Urteil für Erleich­te­rung, denn die Tatsache, dass Flug­gäste ihr Recht regel­mäßig einklagen müssen, war nicht zufrie­den­stel­lend. Nun steht der direkte Weg offen, um eine ange­mes­sene Entschä­di­gung von der Airline zu verlangen.

Damit reiht sich die Entschei­dung in den Reigen weiterer verbrau­cher­freund­li­cher Urteile ein. So wurde bereits im März letzten Jahres beschieden, dass Flug­gäste auch dann einen Anspruch auf Ausgleichs­zah­lung haben, sollte ein Flug gestri­chen oder deut­lich später gestartet werden, weil die Mitar­beiter der Airline streiken. Im April 2021 wiederum erging ein Urteil, das der Airline die Mehr­kosten der Passa­giere für den Fall aufer­legt, dass eine kurze Umlei­tung des Fluges eine Fahrt zum eigent­li­chen Ziel notwendig macht. Nun liegt es bei Ihnen als Verbrau­cher, Ihre Rechte auch konse­quent wahr­zu­nehmen – und den Airlines Grenzen aufzu­zeigen.

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