Arbeitgeber können Arbeitnehmer einseitig zu Corona-Tests verpflichten
Die Corona-Pandemie greift seit ihrem Aufkommen tief in die persönlichen und öffentlichen Lebensverhältnisse ein und hat in diesem Zusammenhang zwangsläufig zahlreiche neue rechtliche Fragen aufgeworfen. Im vorliegenden Fall hatte nunmehr das Bundesarbeitsgericht unter anderem darüber zu befinden, ob ein Arbeitgeber auch ohne eine bestehende, ausdrückliche gesetzliche Regelung einseitig Corona-Tests für seine Arbeitnehmer anordnen dürfe.
Zur Ausgangslage
Geklagt hatte eine Flötistin, die nach der Weigerung, sich testen zu lassen, von der Bayerischen Staatsoper unter Verwehrung weiteren Zutritts zu Proben und der Aufführung von Konzerten ohne Bezahlung freigestellt worden war.
Das betriebliche Hygienekonzept der Oper ging über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Nach einem anfänglichen PCR-Test wurden in der Folge alle ein bis drei Wochen anlasslose Wiederholungstests verlangt. Als Arbeitgeber bot die Oper hierfür kostenlose Testmöglichkeiten an, zeitnahe Befunde anderer Testanbieter nach freier Wahl der Arbeitnehmer wurden als Ersatz anerkannt.
Die Klägerin hielt die Verpflichtung zu diesen Tests für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die PCR-Testmethode sei zu ungenau, und durch die unangenehmen, teils mit Übelkeit und Schmerzen verbundenen Abstriche im Nasen-Rachen-Raum bestünden für Flötisten besonders relevante Verletzungsrisiken. Im Übrigen seien Massentests ohne gegebenen Anlass rechtlich nicht zulässig, und für die dienstliche Anordnung durch die Beklagte fehle es an der gesetzlichen Grundlage.
Verlangt wurde geldliche Nachzahlung, hilfsweise eine Vergütung des häuslichen Übens während der Zeit des Ausschlusses, sowie eine Befreiung von weiteren Corona-Tests.
Das Arbeitsgericht München wies die Klage ab (Aktenzeichen 19 Ca 11406/20, Urteil vom 24.03.2021). Die daraufhin eingelegte Berufung beim Landesarbeitsgericht München blieb ohne Erfolg (Aktenzeichen 9 Sa 332/21, Urteil vom 26.10.2021).
Zur Entscheidung
Die vom zuständigen Senat des Bundesarbeitsgerichts nachträglich zugelassene Revision bestätigte jetzt aktuell die Entscheidungen der Vorinstanzen (Aktenzeichen 5 AZR 28/22, Urteil vom 01.06.2022). Bisher liegt diesbezüglich eine Pressemitteilung des Gerichts vor.
Demnach besteht nach § 618 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für den Arbeitgeber die Pflicht, Dienstleistungen unter seiner Leitung so zu regeln, dass alle Verpflichteten gegen Gefahren für ihr Leben und ihre Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Hierzu können nach § 106 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) nach billigem Ermessen dienstliche Weisungen erteilt werden. Konkretisiert würden Fürsorgepflicht und Ermessen dabei durch die Normen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG).
Unter diesen Gesichtspunkten waren die Anweisungen nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig, die PCR-Tests nicht zu beanstanden. Der mit der Durchführung verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig. Damit musste das Verlangen nach einer Beschäftigung unter Entbindung von jeglicher Testpflicht als unbegründet scheitern.
Aufgrund fehlenden Leistungswillens der Klägerin im Sinne des § 297 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Verweigerung der PCR-Tests mangelt es dann auch an der Begründung für die erhobenen Entgeltforderungen.
Anmerkungen
Das Bundesarbeitsgericht hat vorliegend in Abwägung die gesundheitlichen Interessen der gesamten Mitarbeiterschaft über die des einzelnen Arbeitnehmers gestellt. Dies vor dem Hintergrund der damaligen Corona-Lage und Pandemie-Gesetzgebung im Sommer und Herbst des Jahres 2020, als es zudem noch keine Impfungen gab. Die betreffenden Umstände haben sich in der Zwischenzeit jedoch verändert.
Grundsätzlich unterliegt das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen weiterhin in jedem speziellen Einzelfall der gerichtlichen Überprüfung – beispielsweise hinsichtlich der Geeignetheit, der Angemessenheit und des ausgeübten billigen Ermessens. Einen Freifahrtschein für die Anordnung von Corona-Tests hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung nicht ausgestellt. Wohl aber wurde die Reichweite des Direktionsrechts konkretisiert.
Weder in den Entscheidungen der Vorinstanzen noch in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts kommt eine Beteiligung der Arbeitnehmervertretung, hier: des Personalrats, zur Sprache.