Wirksame Kündigung bei einer aus dem Internet heruntergeladenen Impfunfähigkeitsbescheinigung
Im Kontext der Coronapandemie kommt es insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich bei der Frage der Impfung zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Ärzte und Pflegepersonal hat hierbei nochmals eine besondere rechtliche Situation geschaffen. Seit dem 15. März 2022 müssen Beschäftigte in diesem Bereich eine Impfung/eine Genesung nachweisen. Ebenso können sie eine Bescheinigung vom Arzt vorlegen, die eine Impfunfähigkeit attestiert. Das Arbeitsgericht Lübeck hatte im April 2022 über eine Kündigung zu entscheiden, bei der eine ohne ärztliche Untersuchung, aus dem Internet heruntergeladenen Impfunfähigkeitsbescheinigung die maßgebliche Rolle spielte. Die Arbeitsrichter erklärten die Kündigung für wirksam.
§ 20a IfSG und seine Wirkung im Arbeitsverhältnis
Das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) verpflichtet Arbeitgeber zur Beschäftigung mit dem Impfstatus ihrer Belegschaft. Das gilt zumindest zurzeit im Gesundheits- und Pflegesektor.
Arbeitgeber haben eine Meldung beim zuständigen Gesundheitsamt einzureichen, wenn die Beschäftigten bis zu einem bestimmten Stichtag keinen Nachweis zur Impfung oder zur Impfunfähigkeit erbringen. Unlauteres Verhalten bei der Erbringung dieser Nachweise kann zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen, wie der aktuelle Fall vor dem Arbeitsgericht Lübeck zeigt.
Arbeitsgericht Lübeck Urteil vom 13. April 2022 AZ 5 Ca 189/22
Die Lübecker Arbeitsrichter hatten über die außerordentliche Kündigung einer Klinik gegenüber einer Krankenschwester zu entscheiden. Diese war seit 2001 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Aufgrund dieser langen Beschäftigungszeit war sie im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen ordentlich unkündbar.
Zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht verlangte die Arbeitgeberin von der Arbeitnehmerin die Vorlage einer Impfbescheinigung/einer Impfunfähigkeitsbescheinigung. Die Krankenschwester legte eine sechsmonatige Bescheinigung zur Impfunfähigkeit vor. Ausgestellt war die Bescheinigung von einer Ärztin in Süddeutschland. Die Arbeitnehmerin hatte diese Bescheinigung aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt. Zu keinem Zeitpunkt war es zu einem Kontakt mit der Ärztin oder zu einem Gespräch mit dieser gekommen. Nicht einmal über digitale Medien. Die Beklagte hegte inhaltliche Zweifel an der Impfunfähigkeitsbescheinigung. Nach § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG informierte sie das zuständige Gesundheitsamt über den Sachverhalt. Außerdem kündigte sie die Arbeitnehmerin außerordentlich, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist.
Die Arbeitnehmerin griff die Kündigung vor dem zuständigen Arbeitsgericht an. Die Arbeitsrichter in Lübeck erklärten die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist für gerechtfertigt und wirksam.
Die Begründung der Arbeitsrichter
Aus Sicht der Lübecker Richter rechtfertigt das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist. Die Vorlage einer vorgedruckten Bescheinigung aus dem Internet sei eine schwerwiegende Verletzung von nebenvertraglichen Arbeitspflichten, die § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG begründe. Die Arbeitsrichter vertraten den Standpunkt, dass sich die Arbeitnehmerin sehr wohl der Tatsache bewusst war, mit der ärztlichen Bescheinigung den Anschein einer attestierten Impfunfähigkeit zu erwecken. Dabei konnte sie ganz klar erkennen, dass dieser keine echte ärztliche Beurteilung zugrunde lag.
Aus richterlicher Sicht ging es um einen Versuch, den Arbeitgeber zu täuschen. Dabei sei nicht nur das Gesundheitsamt befugt dazu, den entsprechenden Vorgang zu untersuchen. Ein Prüfungsrecht habe auch der Arbeitgeber. Schließlich sei es auch Sache des Arbeitgebers, aus einem Täuschungsversuch entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist sahen die Richter als angemessene Maßnahme an, weil die Arbeitnehmerin schon so lange im Unternehmen war.
Arbeitgeberrechte und -pflichten im Kontext der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Die Umsetzung und die begleitenden Prozesse bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind rechtliches Neuland für Unternehmen. Diese sollten bei Bescheinigungen ihrer Beschäftigten besser genau hinsehen. Im Zweifel empfiehlt sich anwaltliche Beratung und die Einschaltung der Gesundheitsämter. Als Arbeitgeber sollten Sie die Impfpflicht und die damit verbundenen organisatorischen Prozesse nicht zu leicht nehmen. Der Gesetzgeber nimmt hier insbesondere die Unternehmen in die Pflicht.
Was Kündigungen bei unlauteren Verhalten in diesem Kontext angeht:
Es wäre noch zu früh, von einer gängigen Rechtsprechung zu reden. Jedoch setzen offensichtlich die Arbeitsgerichte die Umsetzung der Impfpflicht hoch an. Das zeigen auch erste Urteile zum nicht mehr bestehenden Beschäftigungsanspruch bei ungeimpften Arbeitnehmern. Wie sich die rechtliche Beurteilung dieser Fragen weiterentwickelt, werden weitere Urteile auch höherer arbeitsgerichtlicher Instanzen zeigen.