Rück­zah­lung von Ausbil­dungs­kosten durch den Arbeit­nehmer

22. Juli 2022 | Arbeitsrecht

Wann Arbeit­nehmer Ausbil­dungs­kosten zurück­zahlen müssen

Manche Arbeit­geber verein­baren mit dem Arbeit­nehmer eine Rück­zah­lungs­pflicht für Fort­bil­dungs­kosten, wenn der Arbeit­nehmer inner­halb einer bestimmten Bindungs­frist das Unter­nehmen selbst veran­lasst verlässt. Das Bundes­ar­beits­ge­richt bestä­tigt diese Praxis in einem Urteil aus dem März 2022 grund­sätz­lich. Aller­dings klam­mern die obersten Arbeits­richter bestimmte Fälle von der Rück­zah­lungs­pflicht aus. Danach entfällt die Rück­zah­lungs­pflicht, wenn der Arbeit­nehmer kein berech­tigtes Inter­esse an einem Verbleib im Unter­nehmen hat. Ebenso legen sie strenge Maßstäbe bei der rich­ter­li­chen Kontrolle allge­meiner Geschäfts­be­din­gungen (AGB) an.

Rück­zah­lungs­pflicht in einer vertrag­li­chen Verein­ba­rung

Die stän­dige Aus-, Weiter- und Fort­bil­dung von Arbeit­neh­mern gehört heute zum Alltag in Unter­nehmen. In vielen Fällen über­nimmt der Arbeit­geber die Kosten für diese Maßnahmen zu 100 %. Es ist verständ­lich, dass er in diesem Fall ein Inter­esse daran hat, den frisch fort­ge­bil­deten Arbeit­nehmer nicht im Anschluss an die Ausbil­dungs­maß­nahme an ein anderes Unter­nehmen zu verlieren.

Viele dieser Maßnahmen sind für den Arbeit­nehmer eine zusätz­liche Quali­fi­zie­rung und verbes­sern seine Chancen auf dem Arbeits­markt. Es ist deshalb in vielen Betrieben üblich, dass Unter­nehmen geson­derte Fort­bil­dungs­ver­ein­ba­rungen mit ihren Arbeit­neh­mern treffen. Darin verstän­digen sich die Vertrags­par­teien auf einen bestimmten Zeit­raum, in dem der fort­ge­bil­dete Arbeit­nehmer im Unter­nehmen verbleibt. Nur unter diesen Voraus­set­zungen über­nimmt der Arbeit­geber die Fort­bil­dungs­kosten. Scheidet der Arbeit­nehmer auf eigene Initia­tive früh­zeitig aus, muss er diese Kosten zum Teil oder voll­ständig an den Arbeit­geber zurück­zahlen.

Urteil Bundes­ar­beits­ge­richt AZ 9 AZR 260/21 vom 1. März 2022

Mit einer Fort­bil­dungs­ver­ein­ba­rung einschließ­lich Rück­zah­lungs­pflicht und Bindungs­zeit­raum mussten sich auch die obersten Arbeits­richter in einem aktu­ellen Fall ausein­an­der­setzen.

Konkret ging es um eine Verein­ba­rung zwischen einer Klinik und einer Alten­pfle­gerin. 2019 hatten die Vertrags­par­teien einen Fort­bil­dungs­ver­trag abge­schlossen. Ausge­staltet war die Verein­ba­rung in Form allge­meiner Geschäfts­be­din­gungen für eine Viel­zahl von Fällen.

In dem Vertrag verpflich­tete sich die Arbeit­ge­berin zur Über­nahme von Kosten einer Fort­bil­dungs­maß­nahme.

Die Arbeit­neh­merin stimmte ihrer­seits einer Rück­zah­lung der Kosten zu, wenn sie nach Abschluss der Maßnahme nicht mindes­tens sechs Monate im Arbeits­ver­hältnis blieb. Als auslö­sender Faktor für die Rück­zah­lungs­pflicht war eine ordent­liche oder außer­or­dent­liche, nicht von der Arbeit­neh­merin zu vertre­tende Eigen­kün­di­gung der Arbeit­neh­merin fest­ge­legt. Dem gleich­ge­stellt wurden eine verhal­tens­be­dingte ordent­liche oder außer­or­dent­liche Kündi­gung durch die Arbeit­ge­berin oder der Abschluss eines Aufhe­bungs­ver­trages durch die Arbeit­neh­merin. Die Parteien hatten sich für den Fall der vorzei­tigen Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nisses auf die 100-prozen­tige Rück­zah­lung der Fort­bil­dungs­kosten verstän­digt. Der Rück­zah­lungs­be­trag minderte sich um jeweils 1/6 für jeden der im bestehenden Arbeits­ver­hältnis verbrachten Monate.

Die Arbeit­neh­merin brachte die Fort­bil­dungs­maß­nahme am 3. Dezember 2019 erfolg­reich zu Ende. Mit Schreiben vom 29. November 2019 hatte sie aller­dings bereits das Arbeits­ver­hältnis frist­gemäß zum 1. Februar 2020 gekün­digt.

In der Folge verlangte die Arbeit­ge­berin antei­lige Fort­bil­dungs­kosten zurück. Nachdem die Arbeit­neh­merin die Rück­zah­lung verwei­gert hatte, erhob die Klinik Klage vor dem zustän­digen Arbeits­ge­richt. In zwei Instanzen konnte die Klägerin ihren Rück­zah­lungs­an­spruch nicht durch­setzen. Auch das Bundes­ar­beits­ge­richt wies die Klage ab.

Die Begrün­dung der Bundes­ar­beits­richter

Grund­sätz­lich hält das Bundes­ar­beits­ge­richt die Verein­ba­rung von Rück­zah­lungs­klau­seln im Zusam­men­hang mit einer Fort­bil­dungs­maß­nahme und einer Bindungs­frist für zulässig. Unwirksam wird eine solche Verein­ba­rung aus Sicht der obersten Richter dann, wenn nicht nach den Gründen für die Eigen­kün­di­gung des Arbeit­neh­mers diffe­ren­ziert wird. Sie sehen zwar in Rück­zah­lungs­klau­seln keine allge­meine Benach­tei­li­gung von Arbeit­neh­mern. Dennoch bestehe ein Span­nungs­ver­hältnis zum grund­ge­setz­lich verbürgten Recht der freien Arbeits­platz­wahl.

Deshalb nahmen die Bundes­ar­beits­richter Anstoß an der frag­li­chen Verein­ba­rung, bei der die Rück­zah­lungs­pflicht an sämt­liche Eigen­kün­di­gungen des Arbeit­neh­mers geknüpft wird. Im Ergebnis hielten die Arbeits­richter die Klausel für unwirksam. Dabei spielte eine Schlüs­sel­rolle, dass die Verein­ba­rungen der Arbeits­ver­trags­par­teien als allge­meine Geschäfts­be­din­gungen (AGB) bewertet wurden.

Aus Rich­ter­sicht unter­liegen AGB einer beson­deren Billig­keits­kon­trolle und einer detail­lierten Inter­es­sen­ab­wä­gung der Partei­in­ter­essen. Die Richter sahen keine billi­gens­werten Inter­essen der Arbeit­ge­berin, die durch entspre­chende Vorteile der Arbeit­neh­merin aus der Fort­bil­dungs­maß­nahme heraus zu berück­sich­tigen seien. Sie argu­men­tierten, dass es deshalb in diesem Fall nicht darauf ankäme, mit welcher Begrün­dung die Arbeit­neh­merin das Arbeits­ver­hältnis gekün­digt habe. Die Klausel mit der aus Rich­ter­sicht zu weit gefassten Rück­zah­lungs­klausel sei grund­sätz­lich bereits im Rahmen der AGB-Kontrolle unwirksam.

Vor Abschluss der Rück­zah­lungs­ver­ein­ba­rung besser zum Anwalt

Die Bundes­ar­beits­richter bestä­tigen mit diesem aktu­ellen Urteil die gene­relle Linie zur Frage von Rück­zah­lungs­ver­pflich­tungen bei Fort­bil­dungs­maß­nahmen. Vom Arbeit­geber ist beim Abschluss entspre­chender Fort­bil­dungs­ver­ein­ba­rungen mit Arbeit­neh­mern höchste Sorg­falt gefragt. In diesem Bereich sehen sich Arbeit­geber einem hohen Risiko gegen­über, dass sie trotz getrof­fener Verein­ba­rungen am Ende keinen Rück­zah­lungs­an­spruch reali­sieren können. Sie haben dann eine Inves­ti­tion in den Arbeit­nehmer getä­tigt und können den Verbleib des Arbeit­neh­mers im Unter­nehmen für einen fest­ge­setzten Zeit­raum nicht durch­setzen.

Im Zweifel empfiehlt es sich, Rück­zah­lungs­ver­ein­ba­rungen bei Fort­bil­dungs­maß­nahmen mit anwalt­li­cher Unter­stüt­zung zu konzi­pieren. Auf diese Weise wird eine klare, rechts­si­chere Verein­ba­rung zwischen den Arbeits­ver­trags­par­teien möglich, auf die sich beide einrichten können. Arbeit­geber sollten insbe­son­dere darauf achten, dass die meisten für eine Viel­zahl von Fällen verfassten Verein­ba­rungen recht­lich gesehen als allge­meine Geschäfts­be­din­gungen (AGB) betrachtet werden. Arbeit­nehmer ihrer­seits können im Streit­fall über eine Rück­zah­lungs­ver­ein­ba­rung in vielen Fällen damit rechnen, dass verein­barte Klau­seln unwirksam sind.

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