Wann Arbeitnehmer Ausbildungskosten zurückzahlen müssen
Manche Arbeitgeber vereinbaren mit dem Arbeitnehmer eine Rückzahlungspflicht für Fortbildungskosten, wenn der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Bindungsfrist das Unternehmen selbst veranlasst verlässt. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt diese Praxis in einem Urteil aus dem März 2022 grundsätzlich. Allerdings klammern die obersten Arbeitsrichter bestimmte Fälle von der Rückzahlungspflicht aus. Danach entfällt die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer kein berechtigtes Interesse an einem Verbleib im Unternehmen hat. Ebenso legen sie strenge Maßstäbe bei der richterlichen Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) an.
Rückzahlungspflicht in einer vertraglichen Vereinbarung
Die ständige Aus-, Weiter- und Fortbildung von Arbeitnehmern gehört heute zum Alltag in Unternehmen. In vielen Fällen übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für diese Maßnahmen zu 100 %. Es ist verständlich, dass er in diesem Fall ein Interesse daran hat, den frisch fortgebildeten Arbeitnehmer nicht im Anschluss an die Ausbildungsmaßnahme an ein anderes Unternehmen zu verlieren.
Viele dieser Maßnahmen sind für den Arbeitnehmer eine zusätzliche Qualifizierung und verbessern seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es ist deshalb in vielen Betrieben üblich, dass Unternehmen gesonderte Fortbildungsvereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern treffen. Darin verständigen sich die Vertragsparteien auf einen bestimmten Zeitraum, in dem der fortgebildete Arbeitnehmer im Unternehmen verbleibt. Nur unter diesen Voraussetzungen übernimmt der Arbeitgeber die Fortbildungskosten. Scheidet der Arbeitnehmer auf eigene Initiative frühzeitig aus, muss er diese Kosten zum Teil oder vollständig an den Arbeitgeber zurückzahlen.
Urteil Bundesarbeitsgericht AZ 9 AZR 260/21 vom 1. März 2022
Mit einer Fortbildungsvereinbarung einschließlich Rückzahlungspflicht und Bindungszeitraum mussten sich auch die obersten Arbeitsrichter in einem aktuellen Fall auseinandersetzen.
Konkret ging es um eine Vereinbarung zwischen einer Klinik und einer Altenpflegerin. 2019 hatten die Vertragsparteien einen Fortbildungsvertrag abgeschlossen. Ausgestaltet war die Vereinbarung in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Fällen.
In dem Vertrag verpflichtete sich die Arbeitgeberin zur Übernahme von Kosten einer Fortbildungsmaßnahme.
Die Arbeitnehmerin stimmte ihrerseits einer Rückzahlung der Kosten zu, wenn sie nach Abschluss der Maßnahme nicht mindestens sechs Monate im Arbeitsverhältnis blieb. Als auslösender Faktor für die Rückzahlungspflicht war eine ordentliche oder außerordentliche, nicht von der Arbeitnehmerin zu vertretende Eigenkündigung der Arbeitnehmerin festgelegt. Dem gleichgestellt wurden eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung durch die Arbeitgeberin oder der Abschluss eines Aufhebungsvertrages durch die Arbeitnehmerin. Die Parteien hatten sich für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die 100-prozentige Rückzahlung der Fortbildungskosten verständigt. Der Rückzahlungsbetrag minderte sich um jeweils 1/6 für jeden der im bestehenden Arbeitsverhältnis verbrachten Monate.
Die Arbeitnehmerin brachte die Fortbildungsmaßnahme am 3. Dezember 2019 erfolgreich zu Ende. Mit Schreiben vom 29. November 2019 hatte sie allerdings bereits das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 1. Februar 2020 gekündigt.
In der Folge verlangte die Arbeitgeberin anteilige Fortbildungskosten zurück. Nachdem die Arbeitnehmerin die Rückzahlung verweigert hatte, erhob die Klinik Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. In zwei Instanzen konnte die Klägerin ihren Rückzahlungsanspruch nicht durchsetzen. Auch das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab.
Die Begründung der Bundesarbeitsrichter
Grundsätzlich hält das Bundesarbeitsgericht die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit einer Fortbildungsmaßnahme und einer Bindungsfrist für zulässig. Unwirksam wird eine solche Vereinbarung aus Sicht der obersten Richter dann, wenn nicht nach den Gründen für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers differenziert wird. Sie sehen zwar in Rückzahlungsklauseln keine allgemeine Benachteiligung von Arbeitnehmern. Dennoch bestehe ein Spannungsverhältnis zum grundgesetzlich verbürgten Recht der freien Arbeitsplatzwahl.
Deshalb nahmen die Bundesarbeitsrichter Anstoß an der fraglichen Vereinbarung, bei der die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers geknüpft wird. Im Ergebnis hielten die Arbeitsrichter die Klausel für unwirksam. Dabei spielte eine Schlüsselrolle, dass die Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bewertet wurden.
Aus Richtersicht unterliegen AGB einer besonderen Billigkeitskontrolle und einer detaillierten Interessenabwägung der Parteiinteressen. Die Richter sahen keine billigenswerten Interessen der Arbeitgeberin, die durch entsprechende Vorteile der Arbeitnehmerin aus der Fortbildungsmaßnahme heraus zu berücksichtigen seien. Sie argumentierten, dass es deshalb in diesem Fall nicht darauf ankäme, mit welcher Begründung die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Die Klausel mit der aus Richtersicht zu weit gefassten Rückzahlungsklausel sei grundsätzlich bereits im Rahmen der AGB-Kontrolle unwirksam.
Vor Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung besser zum Anwalt
Die Bundesarbeitsrichter bestätigen mit diesem aktuellen Urteil die generelle Linie zur Frage von Rückzahlungsverpflichtungen bei Fortbildungsmaßnahmen. Vom Arbeitgeber ist beim Abschluss entsprechender Fortbildungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern höchste Sorgfalt gefragt. In diesem Bereich sehen sich Arbeitgeber einem hohen Risiko gegenüber, dass sie trotz getroffener Vereinbarungen am Ende keinen Rückzahlungsanspruch realisieren können. Sie haben dann eine Investition in den Arbeitnehmer getätigt und können den Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen für einen festgesetzten Zeitraum nicht durchsetzen.
Im Zweifel empfiehlt es sich, Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungsmaßnahmen mit anwaltlicher Unterstützung zu konzipieren. Auf diese Weise wird eine klare, rechtssichere Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien möglich, auf die sich beide einrichten können. Arbeitgeber sollten insbesondere darauf achten, dass die meisten für eine Vielzahl von Fällen verfassten Vereinbarungen rechtlich gesehen als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) betrachtet werden. Arbeitnehmer ihrerseits können im Streitfall über eine Rückzahlungsvereinbarung in vielen Fällen damit rechnen, dass vereinbarte Klauseln unwirksam sind.