Wer mit Krank­schrei­bung droht, riskiert die frist­lose Kündi­gung

1. Februar 2022 | Arbeitsrecht

Die Schicht­ein­tei­lung gefällt nicht, der beab­sich­tigte Urlaubstag wird nicht geneh­migt oder der Chef ordnet ausge­rechnet mit dem unsym­pa­thi­schen Kollegen eine Projekt­zu­sam­men­ar­beit ein – nicht selten sind genervte Arbeit­nehmer dann geneigt, zumin­dest gedank­lich mit Krank­schrei­bung zu spielen. Doch Vorsicht: Wer seinem Arbeit­geber im konkreten Fall tatsäch­lich mit Krank­schrei­bung droht, riskiert eine frist­lose Kündi­gung. Dabei ist es völlig uner­heb­lich, ob sich der Arbeit­nehmer anschlie­ßend wirk­lich krank­schreiben lässt oder es bei der Drohung belässt. Und auch, ob die Weisung des Arbeit­ge­bers ange­bracht und recht­mäßig war, ändert nichts an der Wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung.

Wer ein „empfind­li­ches Übel“ androht, verhält sich illoyal

Grund­sätz­lich geht die Recht­spre­chung davon aus, dass eine ange­drohte Krank­schrei­bung zu den „wich­tigen Gründen“ gehört, die eine außer­or­dent­liche, also frist­lose, Kündi­gung recht­fer­tigen. Mit der leicht­fer­tigen Andro­hung „eines empfind­li­chen Übels“ gegen­über dem Arbeit­geber versuche der Arbeit­nehmer seine Inter­essen im Arbeits­ver­hältnis in unan­ge­mes­sener, nicht akzep­ta­bler Weise durch­zu­setzen – befanden beispiels­weise die Richter am Landes­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz. Dabei spiele es keine Rolle, ob mit der ange­drohten Krank­schrei­bung bereits ein Fall von Nöti­gung oder gar Erpres­sung vorliege – auch jenseits dieser (straf­baren) Schwelle sei ein solches Verhalten mit den gegen­sei­tigen Loya­li­täts­pflichten, die sich aus jedem Arbeits­ver­hältnis ergeben, nicht vereinbar. Die eindeu­tige Pflicht­ver­let­zung recht­fer­tige daher die frist­lose Kündi­gung.

Ange­kün­digte Arbeits­un­fä­hig­keit recht­fer­tigt Entlas­sung

Im konkreten Fall, der vor dem LAG Rhein­land-Pfalz verhan­delt wurde, ging es um einen IT-Mitar­beiter, der mit seinem Arbeit­geber über einen geplanten Stand­ort­wechsel der Firma in Meinungs­ver­schie­den­heiten geraten war. Der Ange­stellte fürch­tete ein längeren Arbeitsweg und unter­nahm auf eigene Faust diverse Anstren­gungen, um eine alter­na­tiven Standort zu finden. Als der Chef davon erfuhr, bat er seinen Ange­stellten für den Folgetag zu einem klärenden Gespräch. Der Arbeit­nehmer teilte ihm daraufhin mit, dass er ja noch krank werden könne. Und tatsäch­lich legte der Ange­stellte für den Tag des ange­setzten Gesprächs eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung vor. Sein Chef antwor­tete mit der frist­losen Kündi­gung. Die Kündi­gungs­schutz­klage des Arbeit­nehmer wurde zunächst abge­wiesen und auch die dagegen einge­legte Beru­fung erbrachte keinen Erfolg für den Kläger.
Für die Praxis bedeutet das Urteil des LAG Rhein­land-Pfalz, dass nicht nur das beweisbar vorge­täuschte „Krank­feiern“, sondern allein schon die Andro­hung einer Arbeits­un­fä­hig­keit eine außer­or­dent­liche Kündi­gung nach sich ziehen kann.

Maßgeb­lich sind auch die Umstände des Einzel­falls

Dieser Grund­satz gilt prin­zi­piell – mit Einschrän­kungen, die sich aus den Beson­der­heiten des jewei­ligen Falls ergeben. Einige Bekannt­heit hat in diesem Zusam­men­hang eine Bäckerei-Ange­stellte erlangt, die sich mit ihrer Fili­al­chefin über den Schicht­plan stritt. Sie hatte darum gebeten, im kommenden Monat ihre Eintei­lung so zu gestalten, dass sie nach­mit­tags ihr Kind von der Kinder­ta­ges­stätte abholen könne. Unge­achtet dieser Bitte wurde sie in einer Woche für die Spät­schicht einge­teilt – und drohte per WhatsApp, sich dann eben krank­schreiben lassen zu müssen. Da aus ihrer Sicht der Konflikt auch in Zukunft weiter fort­be­stehen würde oder sich sogar verstärken könnte, kündigte die Bäckerei-Ange­stellte das seit mehr als zehn Jahren bestehende Arbeits­ver­hältnis frist­ge­recht zum Quar­tals­ende. Zeit­gleich erhielt sie jedoch von ihrer Chefin die frist­lose Kündi­gung – wegen der ange­drohten Krank­schrei­bung. Das Arbeits­ge­richt Schwerin und schließ­lich das Landes­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vorpom­mern erklärten in diesem Fall die frist­lose Kündi­gung für unwirksam.

Verlet­zung der Leis­tungs­treue­pflicht aus dem Arbeits­ver­hältnis

Die Richter haben in diesem Fall trotzdem nicht entgegen der allge­meinen Recht­spre­chung entschieden, die allein die Andro­hung einer Krank­schrei­bung als zuläs­sigen Recht­fer­ti­gungs­grund für eine frist­lose Kündi­gung erachtet. Auch sie bekräf­tigten, dass ein Arbeit­nehmer durch ein derar­tiges Verhalten seinen Arbeit­geber in nicht zuläs­siger Weise unter Druck setze – mit dem Ziel einen konkreten Vorteil zu errei­chen. Er bringe durch sein Benehmen sehr deut­lich zum Ausdruck, dass er beab­sich­tige, die Rechte aus dem Entgelt­fort­zah­lungs­ge­setz zu seinem persön­li­chen Vorteil zu miss­brau­chen. Die Andro­hung einer Krank­schrei­bung stellt per se eine Verlet­zung der Leis­tungs­treue­pflicht aus dem Arbeits­ver­hältnis dar und recht­fer­tigt daher in aller Regel die außer­or­dent­liche Kündi­gung ohne eine voraus­ge­schickte Abmah­nung. Und: Selbst wenn der Arbeit­nehmer nach der bloß ange­drohten Arbeits­un­fä­hig­keit tatsäch­lich erkrankt – die Arbeits­un­fä­hig­keit also wirk­lich eintritt – bleibt die frist­lose Kündi­gung wirksam. Aller­dings erfor­dert eine außer­or­dent­liche Kündi­gung im Einzel­fall immer die Berück­sich­ti­gung aller Aspekte der „Zumut­bar­keit“.

Fristlos bedeutet auch: Eine Weiter­be­schäf­ti­gung ist unzu­mutbar

Per Defi­ni­tion bedingt eine frist­lose Kündi­gung, dass es dem Arbeit­geber nicht „zuge­mutet“ werden kann, die regu­läre Kündi­gungs­frist einzu­halten. Gleich­zeitig muss das Arbei­ter­geber-Inter­esse an einem sofor­tigen Ende des Arbeits­ver­hält­nisses gegen das Arbeit­nehmer-Inter­esse an seinem Fort­be­stand gegen­ein­ander abge­wogen werden. Dabei sind Art und Umfang der Pflicht­ver­let­zung ebenso zu berück­sich­tigen wie eine mögliche Wieder­ho­lungs­ge­fahr oder die Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses. Im konkreten Fall erach­teten die Richter die außer­or­dent­liche Kündi­gung als nicht verhält­nis­mäßig, da die Bäckerei-Ange­stellte ja ihrer­seits bereits gekün­digt hatte. In den vergan­genen Jahren war die Ange­stellte ihren Pflichten ohne Abstriche nach­ge­kommen und durch die Auflö­sung des Arbeits­ver­hält­nisse bestand zudem keine Wieder­ho­lungs­ge­fahr. Das Land­ge­richt erklärte, dass es dem Arbeit­geber in diesem Fall zuzu­muten sei, die regu­läre Kündi­gungs­frist einzu­halten – und die Ange­stellte notfalls in einer anderen Filiale zu beschäf­tigen.

Vorsicht mit leicht­fer­tigen Krank­schrei­bungs-Andro­hungen

Auch wenn es mögli­cher­weise nur unüber­legt „heraus­rutscht“, mit einer Krank­schrei­bung sollte dem Arbeit­geber besser niemals gedroht werden. Solche Äuße­rungen beschä­digen häufig das Vertrau­ens­ver­hältnis irrepa­rabel – auch wenn ihnen keine direkte Krank­mel­dung folgt. Im schlimmsten Fall jedoch recht­fer­tigt die ange­kün­digte Arbeits­un­fä­hig­keit eine frist­lose Kündi­gung. Die meisten Konflikte lassen sich weitaus weniger folgen­reich lösen.

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