Die Schichteinteilung gefällt nicht, der beabsichtigte Urlaubstag wird nicht genehmigt oder der Chef ordnet ausgerechnet mit dem unsympathischen Kollegen eine Projektzusammenarbeit ein – nicht selten sind genervte Arbeitnehmer dann geneigt, zumindest gedanklich mit Krankschreibung zu spielen. Doch Vorsicht: Wer seinem Arbeitgeber im konkreten Fall tatsächlich mit Krankschreibung droht, riskiert eine fristlose Kündigung. Dabei ist es völlig unerheblich, ob sich der Arbeitnehmer anschließend wirklich krankschreiben lässt oder es bei der Drohung belässt. Und auch, ob die Weisung des Arbeitgebers angebracht und rechtmäßig war, ändert nichts an der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.
Wer ein „empfindliches Übel“ androht, verhält sich illoyal
Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine angedrohte Krankschreibung zu den „wichtigen Gründen“ gehört, die eine außerordentliche, also fristlose, Kündigung rechtfertigen. Mit der leichtfertigen Androhung „eines empfindlichen Übels“ gegenüber dem Arbeitgeber versuche der Arbeitnehmer seine Interessen im Arbeitsverhältnis in unangemessener, nicht akzeptabler Weise durchzusetzen – befanden beispielsweise die Richter am Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Dabei spiele es keine Rolle, ob mit der angedrohten Krankschreibung bereits ein Fall von Nötigung oder gar Erpressung vorliege – auch jenseits dieser (strafbaren) Schwelle sei ein solches Verhalten mit den gegenseitigen Loyalitätspflichten, die sich aus jedem Arbeitsverhältnis ergeben, nicht vereinbar. Die eindeutige Pflichtverletzung rechtfertige daher die fristlose Kündigung.
Angekündigte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt Entlassung
Im konkreten Fall, der vor dem LAG Rheinland-Pfalz verhandelt wurde, ging es um einen IT-Mitarbeiter, der mit seinem Arbeitgeber über einen geplanten Standortwechsel der Firma in Meinungsverschiedenheiten geraten war. Der Angestellte fürchtete ein längeren Arbeitsweg und unternahm auf eigene Faust diverse Anstrengungen, um eine alternativen Standort zu finden. Als der Chef davon erfuhr, bat er seinen Angestellten für den Folgetag zu einem klärenden Gespräch. Der Arbeitnehmer teilte ihm daraufhin mit, dass er ja noch krank werden könne. Und tatsächlich legte der Angestellte für den Tag des angesetzten Gesprächs eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Sein Chef antwortete mit der fristlosen Kündigung. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmer wurde zunächst abgewiesen und auch die dagegen eingelegte Berufung erbrachte keinen Erfolg für den Kläger.
Für die Praxis bedeutet das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz, dass nicht nur das beweisbar vorgetäuschte „Krankfeiern“, sondern allein schon die Androhung einer Arbeitsunfähigkeit eine außerordentliche Kündigung nach sich ziehen kann.
Maßgeblich sind auch die Umstände des Einzelfalls
Dieser Grundsatz gilt prinzipiell – mit Einschränkungen, die sich aus den Besonderheiten des jeweiligen Falls ergeben. Einige Bekanntheit hat in diesem Zusammenhang eine Bäckerei-Angestellte erlangt, die sich mit ihrer Filialchefin über den Schichtplan stritt. Sie hatte darum gebeten, im kommenden Monat ihre Einteilung so zu gestalten, dass sie nachmittags ihr Kind von der Kindertagesstätte abholen könne. Ungeachtet dieser Bitte wurde sie in einer Woche für die Spätschicht eingeteilt – und drohte per WhatsApp, sich dann eben krankschreiben lassen zu müssen. Da aus ihrer Sicht der Konflikt auch in Zukunft weiter fortbestehen würde oder sich sogar verstärken könnte, kündigte die Bäckerei-Angestellte das seit mehr als zehn Jahren bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Quartalsende. Zeitgleich erhielt sie jedoch von ihrer Chefin die fristlose Kündigung – wegen der angedrohten Krankschreibung. Das Arbeitsgericht Schwerin und schließlich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern erklärten in diesem Fall die fristlose Kündigung für unwirksam.
Verletzung der Leistungstreuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis
Die Richter haben in diesem Fall trotzdem nicht entgegen der allgemeinen Rechtsprechung entschieden, die allein die Androhung einer Krankschreibung als zulässigen Rechtfertigungsgrund für eine fristlose Kündigung erachtet. Auch sie bekräftigten, dass ein Arbeitnehmer durch ein derartiges Verhalten seinen Arbeitgeber in nicht zulässiger Weise unter Druck setze – mit dem Ziel einen konkreten Vorteil zu erreichen. Er bringe durch sein Benehmen sehr deutlich zum Ausdruck, dass er beabsichtige, die Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu seinem persönlichen Vorteil zu missbrauchen. Die Androhung einer Krankschreibung stellt per se eine Verletzung der Leistungstreuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis dar und rechtfertigt daher in aller Regel die außerordentliche Kündigung ohne eine vorausgeschickte Abmahnung. Und: Selbst wenn der Arbeitnehmer nach der bloß angedrohten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich erkrankt – die Arbeitsunfähigkeit also wirklich eintritt – bleibt die fristlose Kündigung wirksam. Allerdings erfordert eine außerordentliche Kündigung im Einzelfall immer die Berücksichtigung aller Aspekte der „Zumutbarkeit“.
Fristlos bedeutet auch: Eine Weiterbeschäftigung ist unzumutbar
Per Definition bedingt eine fristlose Kündigung, dass es dem Arbeitgeber nicht „zugemutet“ werden kann, die reguläre Kündigungsfrist einzuhalten. Gleichzeitig muss das Arbeitergeber-Interesse an einem sofortigen Ende des Arbeitsverhältnisses gegen das Arbeitnehmer-Interesse an seinem Fortbestand gegeneinander abgewogen werden. Dabei sind Art und Umfang der Pflichtverletzung ebenso zu berücksichtigen wie eine mögliche Wiederholungsgefahr oder die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Im konkreten Fall erachteten die Richter die außerordentliche Kündigung als nicht verhältnismäßig, da die Bäckerei-Angestellte ja ihrerseits bereits gekündigt hatte. In den vergangenen Jahren war die Angestellte ihren Pflichten ohne Abstriche nachgekommen und durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisse bestand zudem keine Wiederholungsgefahr. Das Landgericht erklärte, dass es dem Arbeitgeber in diesem Fall zuzumuten sei, die reguläre Kündigungsfrist einzuhalten – und die Angestellte notfalls in einer anderen Filiale zu beschäftigen.
Vorsicht mit leichtfertigen Krankschreibungs-Androhungen
Auch wenn es möglicherweise nur unüberlegt „herausrutscht“, mit einer Krankschreibung sollte dem Arbeitgeber besser niemals gedroht werden. Solche Äußerungen beschädigen häufig das Vertrauensverhältnis irreparabel – auch wenn ihnen keine direkte Krankmeldung folgt. Im schlimmsten Fall jedoch rechtfertigt die angekündigte Arbeitsunfähigkeit eine fristlose Kündigung. Die meisten Konflikte lassen sich weitaus weniger folgenreich lösen.